Folge 0001 | Prinzenrollen

Folge 0001 | Prinzenrollen

Es ist ein sonniger Bürotag im März, die Vögel zwitschern im Hof und Alexander regt sich gerade fürchterlich über seine Amazon Bestellung  auf. (13 Pakete mit Wanderschuhen – 12 davon möchte er nach dem Anprobieren wieder zurück schicken)

Alexander: Die fallen alle vollkommen unterschiedlich aus. Das kann es einfach nicht sein – ah, die sehen eigentlich gar nicht so schlecht aus.

Martin lacht

Georg: haha, selten in meinem Leben habe ich hässlichere Schuhe gesehen.
Alexander: Halt die Klappe Georg, du hast überhaupt keine Ahnung wovon du eigentlich sprichst. Ich habe das recherchiert. Die Schuhe haben eine klimaaktive Sohle und resorbieren Reibungswärme um die Fußsohlen auf erhöhter Temparatur zu halten, um [der Zeigefinger springt nach oben] einer Sohlenzerrung beim Wandern entgegenzuwirken.

Alle lachen

Alexander grunzt und widmet sich anderen Paaren, während sich Martin und Georg über Sohlenzerrungen lustig machen. Sabine kommt derweilen mit einem Stapel bearbeiteter Korrespondenz in den Raum und entdeckt eine Packung Prinzenrollen auf Alexanders Schreibtisch.

Sabine: Sind die eigentlich für alle gedacht, da kann ich mir schon eine nehmen, nein?

Sabine freut sich und wendet den Blick nicht mehr von den Prinzenrollen. Sie legt die Korrespondenz ab und bedient sich, ohne auf Alexanders Zustimmung zu warten. Georg bittet Sabine ihm auch einen zu reichen. Alexander merkt bis jetzt noch nichts von seinem Prinzenrollenschwund, da er schwer damit beschäftigt ist sich selbst zu bewundern.

Alexander: Die sind eigentlich ganz geil, oder?

Mit stolzem Schritt präsentiert er seine Favoriten. Martin wendet seinen Blick kurz von seinem schicken neuen iMac ab, rollt seine Augen und der Blick schweift zurück auf den Bildschirm. Nur Georg scheint nichts mitzubekommen, da er zu beschäftigt ist, sich über Facebook-Chat mit seinen Bekannten auszutauschen.

Eine Unbekannte Person betritt das Büro. Ein Mann mittleren Alters mit Bierbauch, Halbglatze und dicken Brillengläsern.

Unbekannter: Ja Hallo, ich suche einen Herrn Hahn. Ich habe da ein Anliegen, haben Sie vielleicht eine Idee wo ich Ihn finden kann.
Alexander: Sie sprechen mit Ihm – und Sie sind?
Unbekannter: André Schöneberg. Es ist mir sehr unangenehm, Sie unter solchen Umständen kennen zu lernen, aber ich habe soeben beim Einparken eine Schramme in Ihr Auto gemacht.
Alexander: Was? Können Sie nicht autofahren? Was meinen Sie mit Schramme.

Alexander schiebt Herrn Schöneberg zur Seite und geht mit schnellen Schritten zum Ausgang in Richtung seines Wagens. Martin und Georg stehen auf und folgen Alexander nach draußen.

Herr Schöneberg noch von weitem: Es tut mir leid, aber können wir das vielleicht privat regeln? Also, jetzt die Polizei hinzuzuziehen wäre meiner Meinung nicht dringend notwenig. Herr Hahn, ja? Nein? Herr Hahn?
Alexander: Sind Sie denn von sämtlichen nur erdenklich guten Geistern verlassen? DAS nennen Sie eine Schramme? DAS nennen Sie eine Schramme?

Alexander, der bereits knallrot angelaufen ist kann sich kaum mehr zurückhalten. Währenddessen kommt Knoppers aus dem Lager und eilt in Richtung Alexander. In Händen hält er ein zerrissenes Stück Papier und er scheint relativ aufgebracht zu sein. Davon bekommt Alexander aber erstmal nichts mit.

Alexander: Wo haben Sie eigentlich ihren Führerschein gemacht, wenn Sie einen gemacht haben? Können Sie keine Distanzen einschätzen? Ihrem Alter nach müssten Sie ja schon einige hunderttausend Kilometer Fahrpraxis haben. Vielleicht liegt es an der Brille? Also meine Brille ist ja von Bulgari, wohingegen ihre vielmehr aus Bulgarien kommt.

Georg kaut an seinen Fingernägeln und ist abwesend.
Martin lacht. 

Knoppers ausser Atem: Der Etikettendrucker ist kaputt. Ich hab das aber nicht gemacht. Es druckt nicht mehr richtig, also das System spinnt.

Herr Schöneberg nun sichtlich verärgert mit drohender Stimme: Das muss ich mir nicht bieten lassen. Es gibt Grenzen Herr Hahn. Grenzen, die Sie gerade überschritten haben. Ich denke ich werde jetzt wohl doch die Polizei rufen.

Alexander: Sie demolieren meinen Wagen und  drohen mir jetzt die Polizei zu rufen? Bei Ihnen tickt auch nicht mehr alles richtig, oder?

Knoppers wagt sich sichtlich irritiert an Alexander heran und tippt ihm auf die Schulter. Alexander scheint das aber auch nicht wirklich zu bemerken und schüttelt beiläufig Knoppers Hand von sich.

Herr Schöneberg an seinem prähistorischen Motorola-Mobilfunkgerät: Ja guten Tag Schöneberg hier. Es geht um einen Unfall…

Alexander begutachtet nun weiterhin, die Delle in seinem Auto, während Knoppers immer noch versucht die Aufmerksamkeit von Alexander auf sich zu ziehen.

Georg: Das ist jetzt ja schon eher peinlich jetzt so herumzufahren.
Martin: Der Dellen-Hahn. Das wird beim nächsten Geschäftsessen, das sicherlich in den nächsten 10-15 Minuten anstehen wird, keinen guten Eindruck machen.
Georg: So der potentielle Geschäftspartner “Der Millionen-Deal ist geplatzt. Wir trauen keinem über den Weg mit Delle” – Hahn so “Das find ich jetzt nicht so prickelnd” während er an einem Wachtelbein kaut.
Martin: Der Wachtel-Hahn.

Beide lachen.

Alexander bekommt nichts mit, weder von Knoppers, noch von Georg und Martin, da Herr Schöneberg das Gespräch nach dem Telefonat sogleich wieder aufgenommen hat. Währenddessen braust ein rosa Roller mit einer dicklichen Person auf den Parkplatz. Mit schwungvollem Fahrstil wird geparkt, der Helm abgenommen und noch mit dem Helm in beiden Händen die Haare mit einer kreisenden Kopfbewegung durch die Gegend geschwungen.

Frau Roggen: Herr Haaa-haaahn! Hallihallo! Ach und Herr Winter und Galanis! Guten Tahag!

Georg als auch Martin müssen sich das Lachen verkneifen, als Frau Roggen sich von ihrem Roller schwingt und angetrampelt kommt. Ihre Geisteshaltung und die Körpersprache verraten jedoch, dass sie zutiefst davon überzeugt ist, mit der bezaubernden Ästhetik einer Gazelle am Horizont eines afrikanischen Sonnenuntergangs heran zu tänzeln. Mit gespannten Knöpfen einer offensichtlich zu engen Bluse, einer legginsartigen Jeans und einem zarten, hauchfeinen Film von Schweiß, der den ganzen Körper bedeckt, tritt sie in die Runde.

Frau Roggen: Was ist denn hier passiert? Oh Herr Hahn, Ihr Wagen ist ja völlig ruiniert? Sind Sie wo gegen gefahren? Oh Gott, oh Gott. Sie müssen auf ihr Karma achten, dann passiert ihnen sowas nicht. Das sieht ja teuer aus. Das Auto haben Sie ja geleast, das wird sicherlich sehr teuer – ich kann mir gut denken, dass Sie jetzt in der Versicherung hochgestuft werden. Ich fahr ja deshalb Roller. Erstens ist es sportlicher und zweitens spart man sich Zeit einen Parkplatz zu suchen und Kosten.

Alexander: Guten Tag Frau Roggen, können Sie mir einen großen Gefallen tun und Ihre Ratschläge für sich behalten!?

Frau Roggen: Also bitte. Damit wird ihr Karma auch nicht besser, Herr Hahn. Also wirklich.

Frau Roggen joggt sichtlich demotiviert in Richtung Büro, dabei reiben ihre Oberschenkel aneinander und erzeugen ein Geräusch gleich einem lauten Öffnen und Schließen eines Reissverschlusses. Nur Augenblicke darauf fährt ein Polizeiwagen durch den Torbogen der Einfahrt.  Das Auto fährt direkt auf Herrn Schöneberg und Hahn zu und kommt zum Stehen. Ein Polizist und eine dicke Polizisten steigen aus dem Wagen. Alexander richtet seine Aufmerksamkeit direkt auf den Polizisten und ignoriert seine Kollegin.

Alexander: Hahn, guten Tag. Diese reizende Person hier hat sich überlegt meinen Wagen zu ruinieren. Können Sie das bitte aufnehmen und sich darum kümmern, dass in Zukunft Menschen mit schweren Sehbehinderungen und der Unfähigkeit Abstände einzuschätzen, nicht mehr die Autos und das Leben ungescholtener Bürger gefährden?

Knoppers wird das ganze zuviel und er zieht sich in die Büroräume zurück um dort auf Alexander zu warten. Dort trifft er auf Sabine, die gerade dabei ist weitere Prinzenrollen von Alexander zu klauen. Frau Roggen sitzt an ihrem Schreibtisch und blättert durch einen Ordner und nascht dabei Mini-Winnies. Baris, der die gesamte Zeit über relativ ruhig war, sieht hinüber zu Frau Roggen und kann sich gerade noch selbst davon abhalten, sein Gesicht in eine angewiderte Grimasse zu verzerren, als Frau Roggen ein weiteres Würstchen von der Kette zupft und sich dieses gekonnt in den Mund schnippt. Sie sieht zu Baris hinüber und lächelt.

Baris währendessen im Facebook Chat mit Kosta, der in der Unimensa sitzt und eigentlich lernen wollte:

Baris: die Roggen mästet sich gerade wieder mit Würstchen.
Kosta: lol, die ist so krass ätzend, die Alte
Baris: Ich werd mal dem Hahn vorschlagen, Schutzbrillen einzuführen, weil man ja echt Angst haben muss, dass ihr ein Knopf abspringt. Wenn der dann aus Metall sein sollte, könnte das ernsthaft unsere Sicherheit gefährden.
Kosta: ne Ritterrüstung wäre da nicht schlecht
Baris: ok, es geht um dein Leben. Roggen oder Sabine.
Kosta: ganz klar das Leben
Baris: lol dito – brb Klo

Baris steht auf und geht auf die Toilette. Sabine liebäugelt mit den Prinzenrollen und Frau Roggen hüpft auf ihre Beine und geht nachdenklich und mit einer unerklärlich nervigen Art durchs Büro. Als sie an Baris Arbeitsplatz vorbeikommt, fällt ihr Blick auf sein geöffnetes Facebook Profil. Sichtlich genervt, dass Baris während der Arbeitszeiten Facebook aufruft, geht sie an seinen Computer und möchte Facebook demonstrativ schließen, als ihr Blick auf den Chat mit Kosta fällt. Kurz darauf kommt Baris zurück und sieht eine Frau Roggen mit knallrotem Kopf und einem auf ihn gerichteten, schrecklich vorwurfsvollen Blick bei seinem Arbeitsplatz stehen.

Frau Roggen kreischt ihm entgegen: Was fällt ihnen eigentlich ein, Sie unverschämter Kerl, solche Beleidigungen über mich zu schreiben? Sind Sie denn noch ganz bei Trost? Ich verspreche Ihnen, dass das Konsequenzen für Sie haben wird. Sie erlauben sich viel – zu viel. Wenn es nach mir ginge, hätte ich Sie schon längst gefeuert. Hier und jetzt sind Sie zu weit gegangen. Zu weit.
Baris nun auch an seinem Arbeitsplatz: Von was sprechen Sie?

Frau Roggen deutet mit einem überspannten Zeigefinger und einer geballten Faust, dass die Knöchel weiss werden auf den Bildschirm und schnaubt. Mittlerweile ist das Hellrot in ihrem Gesicht zu einem Florentiner Rot geworden und die Schweißdrüsen auf der Stirn und in den Achselhöhlen arbeiten auf Hochtouren. Das zarte Schweinchenrosa, das ihre Haut sonst immer ziert, ist gänzlich von ihrem Gesicht verschwunden.

Baris: Was haben Sie eigentlich an meinem Computer zu suchen und was fällt Ihnen ein meine Privatnachrichten zu lesen?
Frau Roggen: Sie wissen genau, dass Ihnen das private Surfen im Internet nicht gestattet ist – und jetzt muss ich feststellen, dass Sie darüber hinaus noch hochgradig beleidigende Lästereskapaden über ihre Kolleginnen veranstalten…

Durch den Ärger wird Frau Roggens Mund ganz trocken und ein warmer, intensiver Würstchenhauch weht Baris ins Gesicht. Baris wird sofort leicht übel davon. Sabine nutzt die Gelegenheit um sich weitere Prinzenrollen unter den Nagel zu reißen.

Frau Roggen: … wie können Sie solche Dinge schreiben? Was haben Sie nur für einen Charakter? Also mit ihrem Karma möchte ich nicht tauschen.

Als Frau Roggen das t von tauschen ausspricht, springt ein Würstchenkrümel aus ihre Mund und landet direkt auf der Unterlippe von Baris. Augenblicklich stößt Baris auf und es wird ihm diesmal richtig schlecht. Er muss sich setzen. Alexander, Martin, Georg, die Polizisten und Herr Schöneberg kommen alle relativ aufgebracht ins Büro gestürmt.

Frau Roggen kreischt zu Alexander: Herr Hahn! Herr Haaahn! Ich kann unter diesen Umständen nicht dieses Arbeitsverhältnis aufrecht erhalten. Ich werde gemobbt. Herr Bayrak mobbt mich.

Herr Hahn entschuldigt sich für einen Moment und kommt zu Baris und Frau Roggen.

Frau Roggen: Lesen Sie selbst. [sie deutet demonstrativ auf den Facebook Chat]

Alexander liest den Chat und muss laut lachen. Frau Roggen weicht vollkommen schockiert zurück. Baris sitzt mit grünem Gesicht auf seinem Stuhl und hält sich den Bauch. Auch Georg und Martin kommen zu Alex und lesen den Chat. Als dann auch die beiden in schallendes Gelächter ausbrechen, kann Alexander kaum mehr das Lachen unterdrücken und alle drei bekommen einen ausgewachsenen Lachanfall.

Frau Roggen trabt zu ihrem Schreibtisch, packt ihre Sachen in Windeseile zusammen und stürmt aus dem Büro.

Frau Roggen beim Rauspoltern: Dass muss ich mir nicht bieten lassen. Ich werde mir überlegen, ob ich in diesem Chaos-Büro noch arbeiten möchte. Eindeutig zuviel negative Energien.

 

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