Folge 0004 | Die Praktikantinnen

Folge 0004 | Die Praktikantinnen

Wenn man in den Himmel blickt, inne hält und sich im Einklang des Weltengeschehens als Teil des Ganzen erkennt und annimmt, fühlt man eine tiefe Verbundenheit seiner innersten Natur mit dem Dasein um sich und in sich. Doch dieses Gefühl der Ewigkeit, dieser namenlosen Extase kann einem auch total verpatzt werden. Beispielsweise durch einen Konferenzanruf von Christoph Rott und Lili Roggen.

Frau Roggen: Ja guten Morgen Herr Galanis. Ich habe mich dazu entschlossen, zusammen mit Herrn Rott ein Thema anzusprechen, dass Ihnen durchaus unangenehm sein könnte, [lacht verlegen] jedoch sind wir ja alle zu Gast auf dieser Welt um uns zu bessern. [lacht neunmalklug]
Herr Rott: Die Lili hat mir gesagt, dass du dich nicht auf Anweisungen reagieren tust, hat die Lili gesagt. Wenn wir, Georg – und da musst du mir jetzt den Gefallen tun und genau zuhören. Wenn wir groß rauskommen wollen und mit dem Onlineshop richtig Geld verdienen wollen, dann müssmamamia alle zusammen ordentlich uns ins Zeug legen – an einem Strang ziehen.
Georg genervt: Ok, tolle Idee. Können wir das vielleicht im Beisein von Alex und Martin besprechen – ist gerade eher ungünstig.
Frau Roggen: Sie haben eine Verantwortung gegenüber ihrem Arbeitgeber. Sie haben eine Verantwortung gegenüber sich selbst und Sie müssen sich entsprechend der Regelvorgaben verhalten. [lacht schon wieder]
Georg lachend: Regelvorgaben? Eine Regel ist eine Vorgabe und eine Vorgabe eine Regel, Frau Roggen. Sie können also gerne auf eines der beiden verzichten – hört sich dann nicht so geschwollen an – und geben Sie doch bei Wikipedia demnächst das Wort Pleonasmus ein – bisschen Bildung, nein, Frau Roggen?
Herr Rott: Jetzt werd fei nicht unverschämt, gell!
Frau Roggen: Also bitte, ich muss mir nicht immer diese Frechheiten von Ihnen gefallen lassen. Es ist mir wichtig, dass ich in einem gesunden Arbeitsumfeld bin, damit meine Energien nicht gestört werden – aber mit Ihrem Verhalten ziehen Sie nichts Gutes an, Herr Galanis, nichts Gutes.
Georg: Ok, sorry Frau Roggen, dass ich Ihre Energien störe. Ich kann ihnen gerne mein Aluminium-Nudelsieb mitbringen. Die sollen ja angeblich negative Energien abschirmen.

Herr Rott lacht

Frau Roggen: Also jetzt fall du mir hier nicht vor Herrn Galanis in den Rücken. Also Männer sind solche Rüpel. Nur Rüpel.

Frau Roggen legt auf – nur noch Georg und Herr Rott sind in der Leitung.

Herr Rott: Typisch Frau, oder Georg? [lacht]

Georg ist in diesem Moment heilfroh, dass es nur ein Telefonat ist, da üblicherweise nach genau diesem Lachen eine dicke fleischige Hand mit viel Schwung und wenig Kontrolle auf sein Schulterblatt donnert.

Herr Rott: das schaffmamia schon, Georg. Du bist ja nicht dumm. Bevor wir jetzt auflegen, was is denn ein Peolasmums?
Georg amüsiert: Die Ätiologie zerebralen Verfalls rustikaler Troglodyten.
Herr Rott als hätte er auch nur ein Wort verstanden: Achso, ja des hab ich mir schon so gedacht. Mia hörma uns.

Das Telefonat ist zu Georgs Erleichterung beendet. Nicht lange danach, um 10:24 kommt Georg am Büro an. Frau Roggen steht im Eingangsbereich und telefoniert, wie immer hat man den unmittelbaren Eindruck, dass sie gleich platzt – wortwörtlich platzt.

Frau Roggen legt auf und widmet sich sogleich Georg: Herr Galanis, da sind Sie ja. Haben wir nicht gestern noch vereinbart, dass Sie spätestens um 9:30 im Büro sein sollen?
Georg: Haben wir, ja. Ich wäre gerade fast von einem Lastwagen überfahren worden, doch im letzten Moment hat mich Ryan Gosling gerettet. Danach hat er mich zum Frühstück eingeladen und wir hatten einen total romantischen Morgen. Sonst wäre ich schon seit 7:00 im Büro.

Frau Roggen will gerade ihren Mund aufmachen, aber Georg geht flott an ihr vorbei während er ein spöttisches Om summt. Alexander der gerade bei Sabines Schreibtisch steht und sich ein Stück selbst gemachten Apfelkuchen geben lässt, wirft Georg einen genervten Blick zu.

Alexander: Kannst du eigentlich einmal in deinem Leben pünktlich sein? Heute kommen die Praktikantinnen und wir müssen noch die Arbeitsplätze einrichten. Eine wird bei dir am Schreibtisch sitzen müssen.
Georg zutiefst erschüttert: Was? Nö. Das geht ja mal gar nicht. Nullinger. Die kann bei dir am Schreibtisch sitzen.
Baris: Wenn sie geil ist, habe ich auch kein Problem damit, wenn sie bei mir oder auf mir sitzt.

Absolut keiner lacht

Alexander: Du musst sie einarbeiten – also bitte stress jetzt nicht herum. Ich hab besseres zu tun, als jedes mal mit dir über Anweisungen diskutieren zu müssen.
Georg ein Ferkel imitierend: ‘über Anweisungen diskutieren’
Martin lachend: Der Hahn mit Hufe!
Georg: Ganz schön viele haben Hufe bei uns in der Bürogemeinschaft
Sabine faucht von hinten: Einfach mal die Fresse halten, Georg!
Georg zu Sabine: Guten Morgen, Herzblatt! [winkt]
Frau Roggen: Was sind denn das für Umgangsformen hier, ist ja unglaublich. Ich bin nicht in der Lage in einem solchen Umfeld zu arbeiten. Herr Hahn, sprechen Sie doch mal ein Machtwort. Also wenn jetzt Herr Rott da wäre, dann würden hier andere Energien herrschen.
Georg leise zu Alexander: Hauptsächlich sexuelle Energien zwischen den beiden.
Alexander: Widerlich, Georg.
Baris: Wann kommen jetzt die neuen Tussen?

Frau Roggen seufzt offensichtlich ein bisschen zu laut, schmeisst sich eine Hand voller Erdnüsse in den Mund und lässt sich auf ihren Stuhl plumpsen. Angesteckt wie von einem Gähnen, greift Sabine in ihre Chipstüte und fummelt die letzten fettigen Brösel heraus. Die Zeit vergeht nur langsam. Baris und Georg unterhalten sich in Facebook über ‘die Roggen’, Alexander telefoniert mit unfassbar wichtigen Kontakten. Georgs Telefon klingelt und auf dem Display wird Herrn Rotts Nummer angezeigt.

Georg: Bestattungsinstitut ‘Starr und Steif’, Guten Tag, wer ist von uns gegangen?
Herr Rott: Oh, äh … da muss ich mich wohl verwählt haben.
Georg: Oh wie schade,  keine Leiche. Dann noch einen schönen Tag.
Herr Rott: Äh, Georg?
Georg amüsiert: ja
Herr Rott: Des is fei nicht sehr lustig, was ist wenn ich jetzt ein wichtiger Kunde gewesen wär?
Georg: Ich habe diese extrem moderne Funktion an meinem Apparat, die es mir erlaubt zu sehen, wer mich anruft.
Herr Rott erleichtert: Achso. Ja, so wie bei meinem Handy. Des hab ich da nämlich auch.

Auf diese Weise wird das Gespräch zu Georgs leid noch weitere 35 Minuten geführt. Zwischendurch legt Georg den Hörer zur Seite und spielt sein persönliches Verscheiden nach. Baris imitiert derweilen Herrn Rott und Georg kann sich das Lachen für einen kurzen Moment nicht verkneifen. Jedoch zu Georgs großem Glück hat Herr Rott gerade selbst einen über alle Stränge schlagend lustigen Witz entfesselt und geht selbstverständlich davon aus, dass Georg ihm nicht nur zugehört, sondern über seinen ausgefuchsten Jokus lacht. Frau Roggen ist derweilen schwer beschäftigt, Lochverstärker auf Dokumente zu pappen – dies mit einer Sorgfalt und Zeit, dass der Firma im Schnitt ein verstärktes Loch lediglich knapp einen Euro kostet.
Die Ruhe oder auch Langeweile, je nachdem wie man die Dinge zu sehen vermag, wird plötzlich von zwei jungen hübschen Studentinnen unterbrochen. Die Praktikantinnen sind angekommen. Vera und Regina kommen herein. Anstatt sie direkt zu begrüßen, werden sie erst einmal unangenehm begafft. Die Stille wird von Herrn Hahn gebrochen.

Alexander mit vollem Mund: Ah, da seid ihr ja!

Alexander kommt kauend auf die beiden zu und schüttelt ihnen die Hand. Vera schaut angewidert auf ihre Handfläche, die jetzt fettig glänzt und vom Geruch an eine ungarische Salami erinnert. Regina mustert angeregt Alexander und wirft ein paar vorsichtige Blicke in die Bürogemeinschaft. Jetzt steht auch Frau Roggen auf und bewegt sich auf die beiden zu, wie die neue Weightwatchers Spokesperson – flott, leicht joggend und überhaupt einfach nur atemberaubend elegant. Nur passt hier leider weder das Aussehen noch die Figur zur Körpersprache.

Vera: Also, sie müssen Frau Roggen sein, nehme ich an, wir hatten ja bereits telefoniert.
Frau Roggen überschwänglich: Jaha, das bin ihich [zeigt mit beiden Daumen auf sich und grinst mit schräger Kopfhaltung den beiden entgegen]
Regina leicht irritiert: Ja, schön Sie endlich in Person erleben zu dürfen. [erzwingt ein freundliches Lächeln]
Alexander: Nun, nun. Lasst mich euch das Büro zeigen.

Zwischenzeitlich in Reginas Gedankenwelt: Oh Gott… wo bin ich hier bitte gelandet? Wer ist der Typ mit der Halbglatze da? Wieso glotzt der mich dauernd so notgeil an. Die Dicke dahinten glotzt auch. Oh Mann, ich habe mir das anders vorgestellt. Naja, erstmal lächeln. Wieso frisst diese ekelhafte Kuh Wiener Würstchen neben mir, während wir uns vorstellen. Das ist ja echt mal völlig daneben. Der Chef scheint ja auch eher von der properen Sorte zu sein – vielleicht sind ja die beiden in einem Wettbewerb, wessen Hemd besser spannt… und den Atem von dem Klops kann man ja nicht ertragen. Lieber Gott, Herr im Himmel, bitte bewahre mich davor und schütze mich, dass ich nicht von der eingearbeitet werde. 

Alexander: Georg, schwing dich mal hier rüber. Aber hopp!
Georg genervt: Nett, dass du mich gleich im richtigen Verhältnis vorstellst. Georg der Bimbo.
Regina mit ausgestreckter Hand: Hallo, ich bin Regina!
Georg: Hallo!
Vera: Hallo!
Alexander: Wollt ihr einen Kaffee? Frau Roggen, können Sie bitte den beiden Damen einen Kaffee machen?

Frau Roggen ist nun sichtlich beleidigt, dass sie – die große St. Lili Roggen – den Praktikantinnen Kaffe machen muss. Vielleicht weil beide auch wesentlich schlanker und um ein Vielfaches hübscher sind als das gealterte Büropummelchen Lili. Ihren Missmut impliziert die Gute durch ein lautes in die Küche poltern und ein gut hörbares Schnaufen. Das Ganze wird durch einen wunderbaren Rotton in ihrem Gesicht unterstrichen, der mit glitzernd schillernden Schweißperlen ein unterhaltsam abstruses Bild von Peinlichkeit hervorruft.  Die Sympathien zwischen den werten Praktikantinnen und Frau Roggen sind wohl dadurch schon von Anfang an gebrochen, doch wie es die lenkende Kraft des Karmas (patentiert von Frau Roggen) so will, wird gleich wieder eine neue Brücke der Zuneigung aufgebaut, denn als Frau Roggen ihre Grazie in die Küche bewegt wird dies durch ein Nase-nach-oben-drücken von Baris imitiert.

Regina lacht kreischend. Alexander stolpert vor Schreck zurück und Vera bedeckt sich die Augen mit der Handfläche.

Vera: Kannst du damit nicht wenigsten warten, bis die Verträge unterzeichnet sind?
Regina, die versucht sich zusammenzureißen: Entschuldigung, tut mir leid, das kann manchmal bei mir vorkommen. Ich habe hin und wieder Schwierigkeiten die Lautstärke meiner Stimme zu kontrollieren.
Georg: Vielleicht doch lieber auf den Kaffee verzichten? Vielleicht lieber einen Baldriantee?
Alexander: Halt die Klappe, Georg.

Kurz darauf kommt schon Frau Roggen mit den lieblos zubereiteten Kaffees zurück. Zu jedem Kaffee gibt es ein Duplo, das Frau Roggen gewöhnlich auspackt und schön neben dem Kaffee garniert – diesmal nicht. Der Grant ist ihr immer noch deutlich ins Gesicht gezeichnet. Als sie jedoch neben Baris Schreibtisch vorbei rumpelt, bleibt sie mit einem Fuß in Baris Rucksackschlaufe hängen und stürzt nach vorne. Das Tablett saust mit den Kaffees durch die Luft. Vera als auch Regina bekommen jeweils ihre heiße Tasse Kaffee auf den Körper und Georg donnert das Tablett mit voller Wucht ins Gesicht.

Vera kreischend: Oh mein Gott! AUA … Oh Gott ist das heiß.
Regina noch wesentlich lauter: Ah verflucht! Oh Nein! AU!

Alexander ist noch dabei die Situation zu realisieren. Georg ist derweilen zu Boden gegangen und  eine nicht unbeträchtliche Menge Blut quillt aus seinem Mund und seiner Nase. Völlig irritiert versucht er aufzustehen, doch der Schwindel des Schocks zieht ihm den Boden erneut unter den Füßen weg. Vera als auch Regina reißen sich die Klamotten vom Körper und stehen schon kurz darauf in Unterwäsche im Büro. Sabine, die die Situation am schnellsten durchleuchtet eilt mit Tüchern herbei und kümmert sich sofort um Georg.

Frau Roggen zitternd: Um Himmels Willen! … Es tut mir so leid – das wollte ich nicht. Oh weh! Was habe ich nur getan? Was habe ich nur getan …
Sabine: Wie dumm sind Sie eigentlich? Georg bist Du wirklich verletzt?

Georg winselt etwas unverständliches 

Georg rollen bereits die ersten Tränen über das Gesicht – in solchen Situationen tut er sich immer besonders leid. Baris als auch Martin sind fassungslos und wissen nicht einmal wie sie reagieren sollen. Jedoch sehen beide das Glück im Unglück – die halb nackten Praktikantinnen. Frau Roggen ist mittlerweile vor lauter Aufregung übel geworden und steht in der direkten Konkurrenz zu Georg, was die neu erworbene Gesichtsfarbe angeht. Ein Weiss-Grau mit einem Hauch von Aschgrün.

Alexander: Können Sie nicht aufpassen? Hakt es bei Ihnen?
Vera: Oh Mann … das kann doch gerade nicht ernsthaft passiert sein? Mein Outfit!
Regina: Nein, mein Outfit … und der Kaffee war noch verdammt heiß. Wenn sich jetzt die Haut löst, dann flippe ich sowas von komplett aus!
Georg mit undeutlicher, verquollener Stimme: So ein blöder Dreck einfach nur… Das kommt davon, wenn man so ein krass dümmlicher Obertrampel wie die Roggen ist.
Frau Roggen mit weinerlicher Stimme: Das ist so gemein, es war ein Versehen und ich werde nun hier von allen zutiefst beleidigt.

Ohne auch nur im Geringsten nachzulassen, quillt weiterhin Blut aus Georgs Nase und Mund hervor. Frau Roggen in einem Versuch ihre Fassung wieder zurück zu bekommen, geht auf Georg zu und will ihm aufhelfen.

Sabine: Lassen Sie das, ok. Sie haben schon genug angerichtet. Gehen Sie lieber den Erste-Hilfe-Kasten holen.
Martin lachend: Welcher Erste-Hilfe-Kasten?
Sabine sauer: Jetzt ist wirklich keine Zeit für unlustige und unpassende Witze.

Als Frau Roggen sich über Georg aufrichtet, wird ihr schwindlig – da ihr mittlerweile schon wirklich übel geworden ist, dreht sich ihr der Magen um und ein monströser Schwall ihres Mageninhaltes entleert sich über Georg. Dieser versucht auszuweichen, schafft es aber nicht mehr rechtzeitig und bekommt alles ab. Frau Roggen fällt nach hinten zurück und bleibt stöhnend auf dem Boden liegen. Georg versucht geradezu panisch sich aufzurichten und übergibt sich vor Ekel selbst dabei. Ein Teil über den Boden, ein Teil auf Frau Roggen und selbst die Praktikantinnen bekommen etwas ab. Danach sackt er in sich zusammen und gibt sich einer befreienden Ohnmacht hin. Baris ist derart von der Situation irritiert, dass er einen schallenden Lachanfall bekommt – Martin wird davon angesteckt. Die Praktikantinnen sind vollkommen fassungslos und Sabine ist nun auch schlecht.

Frau Roggen mit schwacher Stimme: Es tut mir leid – ich wollte doch nichts böses.
Alexander: Was … zur … Hölle …

Frau Roggen richtet sich auf und weiß nichts besseres als der Situation zu entfliehen. Wie nach einem Unfall oder einem Attentat taumelt sie mit glasigen Augen aus dem Büro – sie scheint nichts mehr um sich wahrzunehmen und lediglich der Drang zu fliehen scheint ihre Motorik zu bewahren.

 

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