Folge 0006 | Herr Ling kann Kung Fu

Folge 0006 | Herr Ling kann Kung Fu

[Fortsetzung von Folge 0005 | M7 bei Phong Ling]

Was bisher geschah: Als Alexander der Weltenherrscher das Zepter von Undrian eroberte, wurden die Mächte des Universums neu verteilt. Die uralten Savallah, die ältesten der Alten, die Götter der Niedertracht, des Hasses und der Blutrunst schworen einst auf das Zepter und ein jeder ließ die Tränen seines sterbenden Kindes in das Auge Jav’Ur fließen. Nun war es Alexander, dem das Schicksal treu die Wege bahnte und der dem Nandartan zu seinem Tod am nächsten war. Er nahm das Zepter an sich und das Auge Jav’Ur nahm ihn an und wurde ihm zum Diener. Seine Macht wuchs schnell und schon bald kam ihm ein Gedanke. Kein Mensch wäre fähig gewesen diesen zu Formen bis auf den auserwähltenTräger des Zepters. Kein Wesen endlicher Natur würde je die Gedankenkraft dafür aufbringen können. Doch Alexander wusste, dass die Menschen eitel sind. Die Menschen wollen schön sein und sie würden alles dafür tun um glänzenderes Haar zu haben als andere. In Alexanders Wesen manifestierte sich der Gedanke einen Online-Shop für friseurexklusive Haarprodukte zu eröffnen. Ein wahrhaft weiser Plan, den selbst die Kundra’Dur (Der Senat der Erleuchteten) als einen gottesgleichen Akt der Weisheit erachteten. So sollte es sein. Danach wurde ein Sponsor gefunden und ein paar Leute eingestellt und schon lief der Laden. Zum jetzigen Stand ist die Belegschaft gerade bei Phong Ling auf ein günsiges Mittagsmenü auf Firmenkosten. Kosta ist bereits etwas zu lange auf der Toilette, Alexander und Herr Rott haben sich eine Rack-Änte bestellt und die Vorspeisen sind bereits serviert.

Alexander: Schmeckt eigentlich ganz gut, diese Frühlingsrolle.

Da Kosta immer noch nicht zurück zu Tisch ist, bedient sich Alexander fröhlich an Kostas Frühlingsrolle. Zuerst die Hälfte und nach ca. 45 Sekunden die zweite Hälfte.

Martin irritiert: Äh, das war Kostas Frühlingsrolle. Findest Du das jetzt nicht ein bisschen gemein?
Alexander: Selber schuld, wenn er nicht kommt. [zuckt mit den Schultern]
Martin: Hahaha, der Slum-Alex ist neuerdings auf Mundraub angewiesen.
Georg: Martin, siehst du denn nicht, dass er es braucht. Nicht jeder hat es so gut wie du. [schüttelt traurig den Kopf]

Georg klopft Alex auf die Schulter und spricht: Iss nur Alex, iss. Lass es dir schmecken. Ich bin mir ganz sicher, dass Kosta nichts dagegen hat. So ist es fein, Alex, gell?
Alex schüttelt Georgs Hand ab: Kannst du es bitte unterlassen, Pierre Cardin mit deinen Fettfingern anzufassen.
Martin lachend: Georg hat fettige Finger, keine Fettfinger. [starrt auf Alexanders Hände]

Alex blickt für einen Moment gelangweilt auf. In diesem Moment kommt Christoph am Tisch vorbei und meint er müsse kurz zum Auto und würde gleich wieder da sein. Keinen scheint es auch nur im allergeringsten zu interessieren. Frau Roggen streichelt angeregt ihr Tigeraugenamulett und Sabine begafft die Praktikantinnen. Baris schielt Vera in den Ausschnitt und Regina glotzt mit halb geöffnetem Mund in die Luft und ist gerade schwer damit beschäftigt ihren Tagtraum über die Zusammenkunft mit Yoda und einer damit verbundenen Schulung zur Yedi-Kriegerin aufrechtzuerhalten.

Vera: Ich finde es hier ja nicht sonderlich schön. Allein die Vorhänge… Also bei uns in Russland würde man für so etwas mit Sicherheit gehängt werden.
Regina mit einer nach oben gezogenen Augenbraue: Nicht jeder kann sich Marmor, Samt und Seide leisten.
Vera trocken: Es fällt mir schwer aus der Blase herauszutreten, in der ich aufgewachsen bin.
Frau Roggen: Oh! Sie sind in Russland aufgewachsen?
Vera: Nein in Deutschland.
Frau Roggen enttäuscht: Achso! Deshalb sprechen Sie auch Deutsch! [lacht]
Vera genervt: Well observed, Sherlock.
Baris: Also, der goldene Plastikdrache mit der beleuchteten Kunststoffjadekugel passt doch nicht schlecht zu den transparenten lila Vorhängen und den Tiekholzschnitzereien.
Georg: Vergiss nicht den aufgewellten grauen PVC-Boden. Der rundet das ganze auf eine sanfte, ästhetische Weise ab. Wunderschön, einfach nur wunderschön. Erinnert mich ein bisschen an das Wohnzimmer von Kostas Eltern. [findest es sehr traurig, dass Kosta das jetzt nicht gehört hat]

Regina quietscht

Alexander entsetzt: Regina! Ich hätte mich beinahe verschluckt. [hüstelt demonstrativ]
Baris wiederholt: verschluckt [lacht] Die Regina [lacht weiter]

Alle sehen Baris etwas irritiert an. Herr Ling kommt nun endlich mit den ersten Hauptgerichten – jedoch leider keine Spur der beiden Lack-Enten für Herrn Hahn und Herrn Rott.

Herr Ling: We bekom Em dlei? [Wer hat gleich M3 bestellt?]
Martin voller Vorfreude: Ja hier, bitte!
Herr Ling mit breitem Grinsen: Em dlei heu mi Grukkek [Zum Menü M3 gibt es heute einen kostenlosen Glückskeks.]

Martin öffnet sofort seinen Glückskeks und liest vor: Bleiben sie heute gelassen. Der Tag bringt Harmonie und Entspannung mit sich

Herr Ling: I habu swai Em sibän. Einem mit To Fuu [Hier zweimal M7 und eines davon mit Tofu]
Herr Ling weiterhin: Rack-Änte no dauel [Ihre Lack-Ente wird noch ein wenig in der Zubereitung dauern]

Alexander grunzt 

Alexander bereut zutiefst, dass er sich die Lack-Ente bestellt hat, da sich sein Hunger mittlerweile ins unermessliche gesteigert hat. Wie in einem Trickfilm aus den 50er oder 60er Jahren, verwandelt sich vor seinem inneren Auge, Alles und Jedes zu etwas essbaren. Salz und Pfeffer weden zu Tiramisu, das Besteck zu gebackenen Fischen, Regina und Vera zu gebackenen Wachteln und Baris zu einem Döner. Lediglich Frau Roggen bleibt Frau Roggen. Die Tür geht auf und Herr Rott kommt mit einem Drahtkleiderbügel hineingeeilt. Die Blicke folgen ihm, als er die Treppe nach oben zu den Toiletten huscht.

Regina verwundert: Das muss man jetzt nicht unbedingt nachvollziehen können, oder?
Georg: Ach, sowas ist ganz normal bei Herrn Rott. Da musst du dir nichts denken.
Alexander angewidert: Ich kann mir schon vorstellen, was genau er mit dem Kleiderbügel vorhat.
Vera: Zwar?
Baris grinsend: Glaub mir, dass wollen wir jetzt nicht weiter im Detail verfolgen.

Christoph steht nun wieder vor der Toilettentür und es quillt bereits eine beträchtliche Menge Wasser unter dem Türspalt hervor. Christoph klopft leise aber aufgeregt an Kostas Türe. Kurz darauf tönt von innen eine ebenfalls leise als auch aufgebrachte Stimme hervor.

Kosta: Bist du das Christoph?
Christoph: Ja, mach amal schnell auf!

Kosta öffnet die Türe, lässt Christoph rein und schließt schnell wieder ab. Als Christoph mit dem Anblick in der Toilette konfrontiert ist, stehen ihm sofort die Haare zu Berge.

Christoph: Herr Gott nochamal, Kosta. Wie um Himmels Willen hast du denn bitte das hinbekommen.
Kosta: Die haben so eine madige Spülung, da kann man ja nichts runterspülen.

Christoph geht an die Schüssel und hält sich die Hand über Mund und Nase. Bei diesem Anblick füllen sich seine Augen mit Entsetzen. Er geht ein paar Schritte über den klitschnassen Boden zurück und versucht seine Fassung zu gewahren.

Christoph: Sag mal, hast du irgendeine Krankheit? Das scheint mir schon ein bisschen viel auf einmal zu sein. Das krieg ja nicht amal ich nach einer All-You-Can-Eat Orgie beim ‘Schlemmer Franzi’ hin.
Kosta extrem angewidert: Ja, jetzt … passt schon!

Kosta nimmt den Kleiderbügel und biegt diesen sonderbar gekonnt auseinander. Mit dem Haken nach vorne taucht er damit in die Toilette und wackelt hin und her. Nichts geschieht. Für einen moment hält er inne und streicht sich mit seinem Ärmel die Haare und den Schweiß aus der Stirn. Nach ein paar weiteren Versuchen hält es Kosta für sicher, die Spülung zu betätigen, doch das erhoffte Resultat bleibt aus. Statt dessen läuft mehr Wasser über die Toilette hinaus. Weitere Versuche folgen und plötzlich verhakt sich der Kleiderbügel im Abfluss.

Kosta ungeduldig: Verdammt noch mal! Was soll das! Blöder Kleiderbügel… Jetzt klemmt er.
Christoph: Zieh halt bissl fester dran!
Kosta: Der hängt fest!
Christoph: Lass amal mich probieren!

Nun zieht Christoph mit ungeheurer Kraft am Kleiderbügel. Zuerst tut sich nichts, jedoch plötzlich fetzt er den Bügel mitsamt dem Inhalt der Toilette nach draußen. Das Ende des Bügels schnalzt zur Seite, die Inhalte aus der Schüssel schleudern Kosta ins Gesicht und der Bügel verfängt sich an einem Hängeregal an der Wand über der Toilette. Da Christoph aber aus dem Gleichgewicht geraten ist und nach hinten stolpert, reißt er mit dem Bügel das Regal von der Wand, das sofort darauf mit voller Wucht auf die Schüssel knallt, diese bricht entzwei und der Wasseranschluss wird aus der Wand gerissen. Sofort donnert ein massiver Strahl den beiden entgegen, der die kleine Unisex Toilette von Phong Ling in ein chaotisches Weltuntergangsszenario verwandelt. Zumindest wird all das was Kosta gerade ins Gesicht geklatscht ist, schnell wieder abgewaschen.

Christoph schreiend: Kosta, schnell Handtücher. Gib mir Handtücher!
Kosta: Oh Gott! Was ist denn jetzt kaputt?

Kosta wirft Christoph Handtücher zu und dieser versucht sie mit all seiner Kraft in das aufgebrochene Rohr zu stopfen (Baris würde hier Anmerkungen über die beiden Worte Rohr und stopfen machen). Das hilft jedoch rein gar nichts. Das Wasser strömt nach wie vor mit vollem Druck aus der Wand. Kosta sucht panisch nach einem Hauptwasserhahn, kann aber keinen finden. Binnen kürzester Zeit steht den beiden das Wasser bis zu den Knien und steigt weiter. Unter der Tür fliesst das Wasser mittlerweile bis auf den Gang und zu den Treppen. Durch die traumhaft schöne asiatische Musik und dem Lärm in der Küche, bekommen bis jetzt weder Herr Ling noch die Gäste etwas von dem Spektakel mit.

Kosta: Der Hauptwasserhahn befindet sich nicht hier drinnen. Wir müssen raus. Wir müssen Hilfe holen.
Christoph: Wenn wir jetzt die Tür aufmachen, dann überschwemmmamia den ganzen Laden, sag ich Dir.
Kosta: Es bleibt uns aber nichts anderes übrig.

Zu diesem Zeitpunkt geht Herr Ling gerade mit einer prächtigen Lack-Ente auf jedem Arm aus der Küche.
Zur gleichen Zeit reicht Kosta und Christoph der Wasserstand mittlerweile bis knapp unter die Hüften. Die zerbrochene Schüssel ist mittlerweile komplett unter Wasser. Kosta watet zur Tür. Als er den Schlüssel umdreht, donnert die Türe nach außen auf und die Wasserlawine schwemmt den Gang und die Treppe hinunter und schlägt direkt am Mittagstisch der Hahn und Winter GmbH auf. Herr Ling lässt die Lack-Enten fallen und springt wie ein Pfeil in die Luft und bleibt mit den Zehenspitzen des linken Fusses auf der Spitze des Geländers stehen. Seine Arme sind zur Seite ausgestreckt. Alle am Tisch sind unmittelbar durchnässt, die Gläser und Teller sind teilweise zerbrochen, teilweise nur durcheinander geworfen. Frau Roggen hat diverse Absonderungen von Kosta auf ihrem Schoß. Alle bis auf Alexander schauen sich fassungslos um – Alexander gafft verstört auf die verwässerten Überreste seiner Lack-Ente. Kosta und Christoph kommen beschmiert und durchnässt die Treppe herab.

Herr Ling: Mei Gesaf. Al kapu und nas. Aaa, wa gema du! WA GEMA DU? [Mein Restaurant. Alles ist kaputt und nass! Um Himmels Willen, was haben sie getan. Was haben sie nur getan?]

Herr Ling springt vom Geländer gegen die Wand, federt von dieser mit seinen Füßen ab, macht ein Rad in der Luft und landet auf dem Kopf eines Steindrachens direkt neben Kosta und Christoph. Beide spüren einen sanften Windhauch aber keiner konnte auch nur die Idee eines Geräusches vernehmen.

Kosta stotternd: Das tut uns sehr leid, ich wollte das so nicht … ich habe nicht … also ..
Christoph: Des war ein Versehen. Wir hammamamia blos ein Problem gehabt da oben.
Alexander: Seid ihr von allen guten Geistern verlassen?
Vera: Oh Mann, bin ich hier in einem beknackten Cartoon gelandet

Sabine starrt irritiert ins Leere. In Ihrer Hand noch eine Gabel mit dem Essen, das zum größten Teil nun über Tisch und Boden verteilt ist. Regina hebt ihr Handy vom Boden aus und ein tiefer, markdurchdringender Schock zuckt ihr durch den ganzen Leib.

Regina: Mein Blackberry ist nass! Oh Gott … abschalten … abschalten … [kreischt] Wenn jetzt mein Blackberry kaputt ist, dann rollen hier aber Köpfe!

Frau Roggen realisiert in diesem Moment, was auf ihr gelandet ist. Sie beginnt laut und panisch zu kreischen und läuft aus dem Restaurant. Ein paar sich auf sonderbare Weise ähnelnde Asiaten kommen aus der Küche gelaufen (Vielleicht sind sie ja verwandt). Sie bleiben verdutzt vor der Überschwemmungsszene stehen und glotzen. Herr Ling steht wie ein Fels in der Brandung mit den Zehenspitzen eines Beines auf dem Kopf des Drachens und faltet seine Hände. Sein eiskalter Blick ist auf Kosta gerichtet. Dieser zieht es vor den Laden, gleich Frau Roggen, schnell zu verlassen. Die Belegschaft überlegt nicht lange, den beiden so schnell wie möglich zu folgen. Alexander hat das dumpfe Gefühl, so schnell nicht mehr bei Phong Ling zu essen.